Kürzlich in einem Fünf-Sterne-Hotel: Rund 70 Trainer und Berater kommen zu einer Branchenveranstaltung zusammen. Ein schönes Hotel, ein toller Standort, ein perfekt gestyltes Service-Team – und eine Serie von Pannen. Die Technik im Vortragsraum funktioniert erst im zweiten Anlauf, die Pausengetränke kommen zu spät, der Kaffee schmeckt scheußlich, der Saal ist überheizt und die Heizung nicht zu drosseln, so geht es munter weiter. Der Service ist bemüht und freundlich – und erkennbar überfordert. Am Ende des Tages hat das Haus mit freundlicher Inkompetenz 70 Seminarveranstalter und wichtige Multiplikatoren vergrault.
Vielleicht haben Sie schon selbst als Kunde eines Unternehmens Situationen erlebt, bei denen Sie dachten: „Scheinbar klappen die Prozesse hier nicht“, so wie die Teilnehmer der genannten Veranstaltung es taten. Oder Sie erleben Service-Pannen gar immer wieder im eigenen Unternehmen und die Führungskräfte fragen sich entnervt, wie oft sie Mitarbeitern dieses oder jenes denn noch erklären müssen. Doch das liegt selten an Unfähigkeit oder Unwilligkeit der Beteiligten. Ursache ist in der Regel, dass es (noch) nicht gelungen ist, die enorme Fülle an Detail- und Ablaufwissen, die in der Summe für guten Service sorgt, allen Mitarbeitern, die dieses Wissen brauchen, zugänglich zu machen. Und das geht nur mit funktionierendem Qualitätsmanagement!
Qualitätsmanagement – was ist das?
Genau genommen ist es eine Art Gebrauchsanweisung fürs Unternehmen und besteht im Kern darin, aufzuschreiben, was Sie tun und sich dann an das halten, was Sie aufgeschrieben haben.
Zugegeben: „Qualitätsmanagement“ ist eine sperrige Vokabel, klingt nicht besonders sexy und ist – okay, nicht ganz zu Unrecht – als bürokratische Regelungsmaschinerie in Verruf geraten, als praxisferne Gängelei. Doch auch beim Qualitätsmanagement gilt: Es kommt drauf an, was man draus macht. Freude an Qualität entsteht, wenn Regeln im Arbeitsalltag als hilfreich verstanden werden, wenn sie entlasten, vereinheitlichen, Zeit sparen, weil sie Fehler, Doppelarbeiten und Pannen vermeiden helfen.
Dabei hat jedes Unternehmen und genau genommen auch jeder Privathaushalt bereits irgendeine Form von Qualitätsmanagement. In kleineren Häusern ist das oft schlicht „Management by Chef-Gedächtnis“ (oder „by alter Hase“), im Privaten sehr häufig „Management by Mutti“. Der Vorgesetzte weiß, wie dies oder jenes zu handhaben ist, und wird bei Bedarf gefragt, ersatzweise ein älterer Kollege. Dieses Ad-hoc-System stößt jedoch schon bei kleinen Unternehmen an Grenzen: Dieselben Fragen müssen gefühlt tausende Male beantwortet werden, jede Einarbeitung neuer Mitarbeiter wird zum mühsamen Kraftakt. Und ist der Chef abwesend oder der ältere Kollege krank, ist im Wortsinne Not am Mann (oder an der Frau). Wenn es bei Ihnen im Unternehmen Mitarbeiter gibt, deren Ausfall oder Kündigung Sie sich gar nicht vorstellen mögen, und wenn Ihre Führungskräfte sich in operativen Details verzetteln und kaum zu ihrer eigentlichen Arbeit kommen, lohnt es sich, über Abhilfe nachzudenken.
Wie funktioniert Qualitätsmanagement?
In den meisten Betrieben existieren bereits schriftliche Unterlagen, die das notwendige Wissen der jeweiligen Abteilung verfügbar halten sollen, oft in Form von Ordnern mit Checklisten, Ablaufplänen, Übersichten usw. Doch wie aktuell ist dieser Ordner, der oft noch in Papierform vorliegt? Wie vollständig ist das dort dokumentierte Wissen? Wie passt es zum Ordner der Nachbarabteilung? Ein gutes Qualitätsmanagement basiert auf einer vollständigen, fortlaufend aktualisierten Dokumentation aller relevanten Arbeitsinhalte und -prozesse. Es liefert eine schriftliche Gebrauchsanweisung fürs Unternehmen, auf die jederzeit zugegriffen werden kann, und in der alle relevanten Fragen zuverlässig beantwortet werden.
Klingt gut, macht jedoch auch viel Arbeit, mögen Sie denken. Stimmt, doch das rechnet sich rasch: Es geht darum, einmal Zeit zu investieren, um dauerhaft viel Zeit (und auch Umsatz) zu gewinnen. Denken Sie nur daran, wie viele Anschlussbuchungen eine geglückte Trainerveranstaltung im Eingangsbespiel hätte bewirken können. Oder wie viel Zeit bislang durch das wiederholte Erklären des immer Gleichen und das Beheben von Pannen in Ihrem Unternehmen verloren geht.
Beim Qualitätsmanagement geht es darum, das vorhandene Unternehmenswissen zu erheben, in strukturierter Form zu dokumentieren und auf benutzerfreundliche Weise zugänglich zu machen. Ergebnis ist ein Unternehmenshandbuch, das nicht statisch in Stein gemeißelt ist, sondern fortlaufend aktualisiert wird. Kerninhalte eines solchen Handbuchs können sein:
- Allgemeine Unternehmensinformationen wie Leitbild, Qualitätsziele, Führungsleitlinien,
- Organigramme, die hierarchische Strukturen und Zuständigkeiten abbilden,
- Stellenbeschreibungen, die Kompetenzen, Aufgaben sowie Über- und Unterstellungen festhalten,
- Einarbeitungspläne, die die Integration neuer Mitarbeiter durchdacht regeln und damit vereinfachen,
- Prozessbeschreibungen, die Arbeitsabläufe skizzieren,
- Checklisten zur raschen Überprüfung von Arbeitsaufgaben und anderen Anforderungen (wie z.B. für die Technik in einem Tagungs- oder Seminarraum),
- Vorlagen für wiederkehrende Aufgaben (z.B. Standardbriefe und -mails),
- Fotos und Skizzen, wo ein Bild hilfreicher ist als eine Beschreibung
- Formulare für Vorgänge, die durch rasches Ankreuzen effizient geregelt werden können.
Wie kann Qualitätsmanagement organisiert werden?
Bereits an dieser Auflistung lässt sich ablesen, welche Fülle von Informationen im Einzelfall erhoben und dokumentiert werden kann. In der Praxis bietet es sich an, mit der Dokumentation in einer Abteilung zu beginnen und dabei eine Struktur und Dokumentationsform zu entwickeln, die auf andere Abteilungen übertragen wird, sobald sie sich bewährt hat. Analog dazu kann in einem Unternehmen das Handbuch einer Musterabteilung oder eines Musterstandortes Vorreiter und Vorbild für die Dokumentation in anderen Abteilungen oder Häusern sein.
Technisch gesehen reicht die Palette der Dokumentationsformen vom traditionellen Pappordner mit Papierausdrucken, über eine Ordnerstruktur auf dem hauseigenen Netzwerk-Explorer bis zum Internet-basierten Handbuch. Die Zukunft liegt dabei eindeutig bei webbasierten Lösungen, die mit einer Suchfunktion wie ein „Unternehmens-Google“ raschen Zugriff auf erforderliche Informationen ermöglichen und ohne großen Aufwand aktualisiert werden können. Darüber hinaus regeln definierte Zugriffsrechte, wer lesen, wer ändern und wer Änderungen genehmigen kann. Bei der Wahl der Software empfiehlt sich ein sorgfältiger Vergleich der verschiedenen Systeme. Ausgereifte Systeme erfüllen gleichzeitig die Dokumentationspflichten, die im Rahmen des Qualitätsmanagements für eine Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001 gefordert sind. Weitere Entscheidungskriterien sind Schulungsaufwand für die Mitarbeiter, Lizenzgebühren, mögliche Darstellungsformen, wie z.B. Flussdiagramme oder Organigramme, Import von Dokumenten aus Microsoft Office® und Möglichkeiten der Rechteverwaltung und Dokumentenlenkung.
All das klingt nach einer Menge Zeit- und Arbeitsaufwand? Es lässt sich natürlich nicht von der Hand weisen, dass die Einführung von Qualitätsmanagement nicht von heute auf morgen passieren kann. Ist dies jedoch einmal erfolgt, werden Sie sehen, dass der langfristige Mehrwert durch Zeit- und Geldeinsparungen die nötigen Anfangsinvestitionen plötzlich ganz klein aussehen lässt.
Wie Sie ein Qualitätsmanagement letztlich erfolgreich integrieren, erfahren Sie in meinem nächsten Blog.
Ihr Markus F. Weidner