Beiträge

Servicequalität in Tagungshotels begeistert Referenten und Teilnehmer

Wer den Service seines Tagungshotels nicht dem Zufall und der Tagesform mancher Mitarbeiter überlassen will, braucht Standards und Regeln, die für Verbindlichkeit sorgen. Und damit ist auch klar: Die Entwicklung von Servicequalität ist eine strategische Führungsaufgabe. Und die will jeden Tag aufs Neue erbracht sein. Führen ist für mich wie Duschen. Es muss täglich stattfinden, zur Not auch alle zwei Tage. Will heißen, dass Führung nicht sporadisch und punktuell funktionieren kann, sondern strukturiert und planvoll gelebt sein will.

Was ist Qualität in der Leistungserbringung von Tagungshotels?

Qualität ist zunächst ein neutraler Begriff. Die Übersetzung aus dem lateinischen Ursprungswort abgeleitet lautet „Beschaffenheit“. Daher ist die Qualität eines Tagungshotels seine Beschaffenheit. In der weiteren Überlegung klingt das in etwa so: Die Beschaffenheit eines Tagungshotels mit all seinen Leistungen ist geeignet, um die Anforderungen und Erwartungen einer Anspruchsgruppe zu erfüllen und idealerweise gar zu übertreffen.

Die einfachste Möglichkeit, um Servicequalität sicherzustellen, ist regelmäßig Interviews mit den Anspruchsgruppen zu führen. Professioneller ist: Im gesamten Wertschöpfungsprozess einer Veranstaltung muss ich zunächst einmal die Zielgruppen der Leistungskette genau unter die Lupe nehmen. Das sind Bucher, Tagungsbetreuer, der Referent, Teilnehmer – jeder hat andere Anforderungen und Erwartungen.

Und jetzt kommt die Crux: Anforderungen sind die Aspekte einer Leistungsanfrage, die wir unmittelbar vom Kunden hören. Zum Beispiel: „Ich brauche einen Konferenzraum für 15 Personen in U-Form.“ „Bitte mit Moderatorenkoffer“, „Bitte mit 4 Pinnwänden“. Erwartungen dagegen sind die Aspekte einer Leistung, die wir als selbstverständlich ansehen und nicht mehr explizit spezifizieren: Die U-Form sollte bitte mit Tischen gestellt sein, die nicht wackeln. Der Moderatorenkoffer ist aufgefüllt und die Karten nach Farben sortiert. Die Pinnwände sind bespannt und das Packpapier ist an den Ecken dreifach eingeklappt, damit die Nadeln halten und das Papier nicht beim ersten Gebrauch abreißt.

Schritt für Schritt zu einer besseren Servicequalität

Wenn wir diese Grundgedanken auf den gesamten Wertschöpfungsprozess durchdeklinieren, dann heißt das für die Führungskräfte im Hotel:

  1. Alle Prozessschritte im Hotel erfassen
  2. Die Prozessschritte nach „Kundenkontaktpunkten“ und internen Prozessschritten unterscheiden
  3. Für jeden Prozessschritt die Anspruchsgruppe identifizieren, inklusive Anforderungen und Erwartungen
  4. IST-Analyse, wie diese Prozessschritte tatsächlich ausgeführt werden
  5. Abgleich zwischen Leistungserbringung, Anforderungen, Erwartungen und dem, was das Marketing verspricht, weil dadurch auch die Leistungserwartungen stark beeinflusst werden
  6. Identifikation der Leistungspunkte, bei denen IST und SOLL eine Lücke hervorbringen
  7. Identifikation der Leistungspunkte, an denen ein besonderer Akzent gesetzt werden kann (das i-Tüfpelchen oder WOW-Effekt). Dabei ist das Glas Marmelade auf dem Zimmer des Referenten als Begrüßungsgeschenk gut gemeint, jedoch ungeeignet: Zum einen schleppe ich schon genug Sachen mit mir rum, zum anderen kann ich so viel Marmelade, wie ich geschenkt bekomme, im Leben nicht essen. Ein WOW wäre schon, wenn das, was ich brauche, immer passend verfügbar ist, ohne dass ich extra danach fragen muss.
  8. Festschreibung (schriftlich) der zu erbringenden Leistungstiefe für jeden Kundenkontaktpunkt, inklusive aller Dokumente, Formulare, Software, die den Prozess unterstützten
  9. Schulung der Mitarbeiter anhand der schriftlich spezifizierten Leistungsdefinition

Das Verständnis von gutem Service variiert

Das, was ein Hotelier als TOP-Service definiert, ist noch lange nicht das, was eine Anspruchsgruppe in der Service-Empfindung als solchen wahrnimmt. Wenn ich beispielsweise als Referent ins Tagungshotel komme und in meinen Konferenzraum gehe, dann will ich am liebsten nur mit einer Person zu tun haben: dem Tagungsbetreuer, der sein Function-Sheet, die vereinbarten Kaffeepausenzeiten und alles, was ich als regelmäßig wiederkommender Referent an Besonderheiten und Wünschen mitbringe, kennt. Ich möchte nicht, dass der Duty Manager vorbeikommt und fragt, ob alles passend ist, der Verkaufsleiter mich während des Aufbaus ebenfalls „besucht“ und zu guter letzt der Direktor reinschaut, sich vorstellt, mich mit einem gut gemeinten Small Talk nochmals von der Arbeit abhält und fragt, ob alles passend ist.

Zudem hapert es im Hotelalltag häufig daran, dass Menschen einen Service erbringen sollen, den Prozess des Nutzers jedoch nicht wirklich kennen. Wie arbeitet ein Referent in einem Konferenzraum? Warum ist es wichtig, dass das Mittagessen in einer Stunde serviert ist und das Zeitmanagement dabei vor den klassischen Serviceregeln Vorrang hat? Architekten hängen Leinwände in der Regel in die Mitte einer Wand und verbannen damit den Referenten aus dem Zentrum an die Seite, damit er nicht vor der Projektion steht. Daher ist eine weiße Wand, die dem Referenten Flexibilität bietet, hilfreicher als eine ungünstig angebrachte Leinwand. Was nützt es, wenn freundlich bemühte, junge, jedoch schlecht ausgebildete Servicekräfte ihre Hilfsbereitschaft deutlich signalisieren, doch bei der ersten Frage nach der Funktion des Lichtsystems nicht wissen, welcher Schalter welche Lichtsituation hervorbringt. Oder wenn sie beim Aufbau nicht bemerkt haben, dass das Flip-Chart nur vier von fünf Rollen hat und daher wackelt wie ein Kuhschwanz.

Die Rolle des Chefs

Der Chef ist dafür verantwortlich, dass die richtigen Menschen richtig ausgebildet sind und das notwendige Handwerkszeug in jeder Hinsicht verfügbar haben, um einen guten Job zu machen. Am liebsten ist es mir, wenn ich keine Führungskraft brauche und von professionellen Fachkräften betreut werde. Führungskräfte sollten immer im Hinterkopf haben: Wir brauchen Tagungs- und Veranstaltungsprofis. Ein gelernter Restaurantfachmann ist noch lange kein Veranstaltungsprofi. Und ein Duty Manager, der mich außerhalb von üblichen Servicezeiten in einen Konferenzraum führt, der sollte auch wissen, wo das Licht im Konferenzraum angeht und die Funktionsweise des Schließsystems beherrschen.

Standards und definierte Prozesse tragen mitnichten dazu bei, dass die Mitarbeiter einen stereotypen Umgang mit den Gästen erlernen. Ganz im Gegenteil: Je besser die Basics organisiert und bereitgestellt werden, desto mehr Raum und Zeit hat ein Mitarbeiter, um seine Persönlichkeit ins Spiel zu bringen. Wir brauchen keine Kreativität bei der Erstellung von Rechnungen oder bei der Annahme einer Veranstaltung. Wir brauchen Mitarbeiter, die wissen, welche Fragen zu stellen sind, um ein qualifiziertes Angebot zu erstellen und Veranstaltungsräume ertragreich zu verkaufen. Was könnte einen Verbraucher mehr erfreuen als einem Profi zu begegnen, der in den kleinen und den großen Dingen sein Handwerk beherrscht und in der Lage ist, das auch an den Kunden zu bringen.

Erfolg von Servicequalität messbar machen

Es gibt die verschiedensten elektronischen Feedbacksysteme, die unmittelbar die Zufriedenheit von Gästen abfragen. Elektronische Fragebögen sind zum Teil allerdings mehr als lästig, vor allem, wenn diese zu umfangreich sind oder Gäste auch noch ein zweites Mal daran erinnert bis „nötigt“, eine Bewertung abzugeben. Das ist für mich ein absolutes No-Go. Wenn schon ein Fragebogen, dann bitte nach einem einfachen System.

Der Net Promotor Score hat sich in vielen Industrien durchgesetzt: Es werden zwei offene Fragen zum Leistungsempfinden gestellt. Zum Beispiel: „Was hat Ihnen besonders gefallen?“, „Was haben Sie vermisst?“ oder „Was können wir zukünftig besser machen?“. Mehr braucht es nicht. Außerdem gibt es eine Skala von 1-10. Der Verbraucher wird gebeten, seine Zufriedenheit anzugeben, wobei 10 der höchste Wert ist. Die aktiv zufriedenen Kunden, d.h. die, die auch weitererzählen, dass es gut war, kreuzen 9 oder 10 an. Passiv zufriedene Kunden sind bei 7 oder 8, und von 6 abwärts haben wir Menschen, die eine Serviceleistung erfahren haben, die kritisch war. Der beste Indikator für den Erfolg von Servicequalität ist allerdings die Stammkunden- und Wiederholerquote.

Meine Service-Must-Haves für Tagungshotels

Service-Must-Haves sind zahlreich – und siehe oben – sehr kundenspezifisch. Was allerdings für jeden Referenten wichtig ist, ist, dass das gesamte Seminar-Equipment gepflegt und die Tagungsbetreuung kompetent ist. Für Tagungsgäste sind Stuhl und Tisch die wesentlichen Kontaktflächen, über die sie lange Zeit mit dem Tagungshotel verbunden sind. Hier gibt es für viele Häuser noch Verbesserungspotenzial, weil die Sitzqualität zuweilen nicht lernförderlich ist. Für die Kaffeepausen wünsche ich mir noch konsequenter gesündere Snacks, ebenso für die Menüauswahl und die Buffets. Außerdem wünsche ich mir als Referent kurze Wege zum Hotelzimmer. Und wenn ich nicht unmittelbar neben den Teilnehmern ein Zimmer habe, dann empfinde ich das als wertvoll, weil so zumindest etwas Privatsphäre gewahrt ist. Bei der Zimmerauswahl schätze ich geräumige Zimmer mit einem guten Arbeitsplatz (Steckdosen, die erreichbar sind) und einer koffergerechten Ablagefläche für das Reisegepäck.

Werte und Kultur als Grundlage für Servicequaltiät

Darüber hinaus braucht es auch in Tagungshotels eine Kultur und ein Werteverständnis, das sich Servicequalität auf die Fahnen schreibt und vor und hinter den Kulissen auf allen Ebenen der Organisation gegenüber Gästen und Mitarbeitern gelebt wird. Dazu gehört, dass Führungskräfte führen und Fachkräfte die Facharbeit machen. Leider erlebe ich zu viele Führungskräfte, die Facharbeit machen – das ist nicht zielführend. Mitarbeiter müssen ausgebildet und angeleitet werden, sie müssen lernen, wie es richtig geht. Dazu braucht es Kontinuität im Mitarbeiterstamm, denn mit jeder Fluktuation von gut ausgebildeten Fachkräften beginnt die Einarbeitung von Neuem. Das kostet zwangsläufig Servicequalität oder erhöht zumindest den Aufwand, um diese zu halten.

Damit sind wir bei meinen „6 Schritten zur Servicequalität“ aus dem Buch „Gut ist nicht genug“:

  1. Werte festlegen
  2. Team suchen, das zu diesen Werten passt (keine Kompromisse)
  3. Standards und Prozesse festlegen (siehe oben)
  4. Service für Mitarbeiter durch elektronische Dokumentationsmöglichkeiten bieten
  5. Feedback für den ständigen Verbesserungsprozess
  6. Innovation – denn nur wer sich immer wieder selbst neu erfindet, bleibt im Geschäft

Was kann ein Hotelier noch tun, um die Servicequalität im eigenen Haus zu verbessern?

Was zusätzlich hilft, sind die erwähnten Interviews, ebenso die Begutachtung des Hauses durch eine Tagungsstättenprüfung, wie sie zum Beispiel der Branchenverband Degefest e.V. anbietet. Er hat sich das Thema Qualität speziell für die Kongress- und Seminarwirtschaft auf die Fahnen geschrieben.

Wer es ganz systematisch machen will, der kann noch die Empfehlungen von Qualitätsnormen, wie z.B. die DIN EN ISO 9001:2015 (Qualitätsmanagement) oder DIN EN ISO 14.001 (Umwelt) nutzen, wobei die Zertifizierungen zwar wertvoll, jedoch im ersten Schritt nicht notwendig sind. Auch Modelle, wie zum Beispiel Servicequalität Deutschland, sind ein Weg, um sich Schritt für Schritt auf den Weg zu machen. Wobei die Stufen 1 und 2 dieses Modells nur ein Anfang sein können, erst die Stufe 3 kommt auf das Niveau zum Beispiel der ISO 9001. Wer die Königsklasse anstrebt, der kann sich an Selbstbewertungsmodelle wie zum Beispiel den Ludwig-Erhard-Preis heranwagen.

Sie sehen, ein Anfang für mehr Servicequalität in Tagungshotels ist schnell und einfach gemacht – es muss nicht von vorneherein die Zertifizierung rein, fangen Sie mit kleinen Schritten an. Ich wünsche viel Erfolg bei der Umsetzung.

 

Ihr

Markus F. Weidner

 

Dieser Beitrag erschien ursprünglich in Form eines Interviews hier: Top 250 Germany Inside Ausgabe 04/2017